Campino: Hope Street – Wie ich einmal englischer Meister wurde

Campino: Hope Street – Wie ich einmal englischer Meister wurde

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Weder bin ich Fan der Toten Hosen noch von Campino selbst noch bin ich fußballinteressiert. Was mich als Wahldüsseldorferin jedoch angezogen hat, ist die Person hinter dem Punkrocker, der Düsseldorfer Jong. Man kann in dieser wunderschönen Rheinstadt immer wieder erleben, wie Campino und die Band Menschen bewegen – sei es beim Rosenmontagsumzug, im Fußballstadion oder auf der Rheinkirmes. Neben seiner lokalen Präsenz ist es aber auch sein Mut, Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen anzusprechen und sich klar zu positionieren, der mich beeindruckt. Und genau diese Kombination aus Offenheit und Tiefgang ist es, was ich auch von einer Autobiografie erwarte.

Eine Autobiografie muss mehr sein als ein Wikipediaeintrag. Wo ist er geboren, hatte er eine glückliche oder traurige Kindheit, war er gut oder schlecht in der Schule, hatte er viele oder wenige Freunde? Das sind Fragen, die zu dem führen sollten, was wichtig ist, nämlich das, was er daraus gemacht hat, der Inhalt, der über die eigene Person hinausgeht. Das Buch sollte einen Mehrwert beinhalten. Und genau das trifft besonders auf Kapitel 10 Englische Woche zu. Aus einer vermeintlich simplen Frage entbrannt eine Diskussion mit Argumenten auf beiden Seiten, die ich nachvollziehen und denen ich jeweils zustimmen kann.

»Hast du nie das Gefühl, dass dir Dinge durch den Rost fallen? Dass du Sachen verpasst, die wichtig sind?« (Andi Meurer, Bassist DTH)

Andi Meurer spricht hier Campinos Einsatz für seinen Lieblingsfußballverein, den Liverpool FC, an, seine Reisebereitschaft, um wenn möglich bei jedem Heim- und Auswärtsspiel live dabei zu sein. Ist das nicht Zeitverschwendung? Sollte er sich nicht auf die richtig wichtigen Dinge im Leben konzentrieren, wie Familie, Band, Songs schreiben – eben etwas Sinnvolles? Ich kann Andi hier voll zustimmen. Fußball sehe ich auch eher als Hobby oder Sport an, der nicht das Leben bestimmen sollte. Aber darum geht es hier tatsächlich nicht. Entscheidend ist, dass man zu sich selbst findet, seinen Weg geht und zu dem steht, was man macht, egal was andere darüber denken.

Campino erzählt mit Leichtigkeit von seiner Suche nach einer Heimat, einem Zuhause und nach sich selbst. Seine Geradlinigkeit und Ehrlichkeit schimmern schon in seiner Jugend, in seinem Punkerdasein hervor. Er folgt nicht durchgetretenen Pfaden, sondern sucht sich seinen eigenen Weg und muss sich daher auch mal durchs Dickicht kämpfen.

Das Buch umfasst die Fußballsaison 2019/2020 des Liverpool FC. Die Kapitel drehen sich chronologisch um die Spiele, Erfolge und Niederlagen der Reds. Eine kurze Statistik eines oder mehrerer Spiele geht jedem Kapitel voraus. Campino erzählt von seinen Erlebnissen auf der Anreise oder im Pub vor dem Stadion oder während des Spiels. Seine Begeisterungsfähigkeit finde ich sehr spannend, das ist auch ein Aspekt, der mich zum Weiterlesen motiviert.

Von dieser Saison aus geht er zurück in die Vergangenheit, denkt an Schlüsselmomente in seinem Leben, berichtet von lustigen Anekdoten und reflektiert sich und sein Verhalten. Er schreibt locker und entspannt. Ich musste an vielen Stellen schmunzeln (Wer kennt ihn nicht, den „Geruch aus Kindersocken, Teenagerfürzen und Alt-Herren-Schweiß“), andere Passagen erstaunten mich (Wer würde sich nicht gerne mal eben so die Handynummer von Jürgen Klopp besorgen) und wieder andere bewegten mich dazu, mich selbst zu fragen: Was hat mich geprägt, wo liegt meine Heimat, mein Zufluchtsort (nicht nur Gast, sondern zu Hause zu sein, ist das Ziel)? Für mich ein toller Start in mein Buchjahr 2021.

Fazit: lesenswert – traut euch Nichtfußball- und -Toten-Hosen-Fans!

 

– Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt. –


Campino: Hope Street – Wie ich einmal englischer Meister wurde

2020, Piper Verlag

ISBN: 978-3-492-07050-8

368 Seiten, gebunden