Cynthia D‘Aprix Sweeney »Unter Freunden«

Cynthia D‘Aprix Sweeney »Unter Freunden«

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Heute möchte ich euch eine Neuerscheinung ans Herz legen: »Unter Freunden« von Cynthia D‘Aprix Sweeney.

Nachdem ich einige begeisterte Stimmen über das Buch gelesen habe und ihr Debütroman »Das Nest« so erfolgreich war, habe ich mich auf die Lektüre sehr gefreut. Ich habe es mir auf der Liege unter der Markise im Garten bequem gemacht. Die Sonne schien. Ein perfekter Nachmittag! – Vielleicht zu perfekt, denn leider hat mich dann der Roman nicht abgeholt. Von den ersten Seiten war ich etwas enttäuscht, konnte die Begeisterung der Vorleser*innen nicht nachvollziehen. Die Sprache war mir zu simpel, die einzelnen Szenen zu kurz, um darin einzutauchen, die Rückblicke zu lang und zu oft und die eigentliche Geschichte um den Ring ging nicht voran. Ich stand nicht in Flammen. Warum also nach einem so holprigen Start weiterlesen? Zeit ist kostbar, und es gibt so viele gute Bücher, die noch darauf warten, gelesen zu werden. Aber »Unter Freunden« hat mich nicht losgelassen. Da war noch eine kleine Flamme, die nicht ausgehen wollte. Mein Durchhaltevermögen wurde mit jedem weiteren Kapitel belohnt. Aus meiner winzigen Flamme entfaltete sich ein riesiger Flächenbrand (um im Bild zu bleiben).

Worum geht es?

Flora Mancini ist seit über zwanzig Jahren glücklich verheiratet. Doch alles, was sie über sich selbst, ihre Ehe und ihre beste Freundin Margot zu wissen glaubt, wird auf den Kopf gestellt, als sie den lange verlorenen Ehering ihres Mannes wohlverwahrt in der eigenen Garage findet. Zufall? Unwahrscheinlich. Ein hinreißend humorvoller und warmherziger Roman über ein lang gehütetes Geheimnis, das Freundschaften und Beziehungen durcheinanderwirbelt.

Wie war es?

Vielleicht lag mein anfängliches Zögern auch daran, dass ich mir nicht ausmalen konnte, wie Julians Ring, der beim Baden im See verloren ging, Jahre später in der Garage von Flora wieder auftauchen konnte. Welche Geschichte steckt dahinter? Im Nachhinein muss ich sagen, ist Julian wohl ein besserer Schauspieler, als ich dachte. Er hat nicht nur seiner Frau etwas vorgespielt, sondern mir auch.

»Was du auch tust, Kleines, halt die Augen offen. Die Menschen sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen.« Josephine (Floras Mutter)

 

 

 

 

Der Roman wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Der*die Leser*in taucht in jede Figur ein, folgt ihren Gedanken und Gefühlen. Einige Situationen werden von mehreren Seiten beleuchtet, wodurch sich das Bild vergrößert und man sich dem Kern der Wahrheit nähert. Dieses Wissen über die Figuren erzeugt eine Sicherheit, eine scheinbar trügerische Sicherheit, die sich aber im entscheidenden Moment auflöst. Nichts ist, wie es scheint. Überraschung!

Der Roman lebt vor allem davon, dass Sweeney nichts verschönert. Sie verwendet keinen Filter. Hollywood ist eine Stadt wie jede andere auch, Schauspielerei ist auch nur ein Beruf, um die Miete zu bezahlen. Kein Glanz und Glamour, kein Konfetti, keine Einhörner. Sie schildert das unperfekte Leben, den Alltag, die Freuden und Sorgen von Flora, Julian, Margot und David, die sowohl in ihrer langjährigen Freundschaft als auch in ihren Ehen Höhen und Tiefen erleben.

Sweeney zeigt sowohl das Gute wie das Schlechte im Menschen. Die Figuren sind menschlich und machen Fehler. Mal sind sie von den Macken ihrer Freunde genervt, mal neidisch, mal fühlen sie sich ihnen überlegen, mal sind sie abhängig von ihnen. Sie überraschen sich, sie enttäuschen sich. Zuneigung, Liebe, Treue, Aufopferung, Dankbarkeit, Verpflichtung – all das macht ihre Freundschaft aus. Verrat, Lüge, Schuld, Hass bilden die Kehrseite der Freundschaft. Verzeihen und Vergessen können ist am Ende wohl eine ebenso wichtige Fähigkeit in einer Freundschaft – aber auch nicht immer realistisch.

Flora und Julian werden von Bekannten liebevoll als „Florian“ bezeichnet, eine Einheit, das perfekte Paar, das alle gern sein würden, das es geschafft hat, das die Probleme des Alltags über die Jahre bewältigt hat und gestärkt daraus hervorgeht. Dass eine Beziehung (ebenso Freundschaft) Stärke verleiht, ist genauso möglich wie, dass durch die Gemeinsamkeit die eigene Identität verloren geht. Gerade dieses Unperfekte berührt, der Zwiespalt und die Zerrissenheit verleihen dem Roman Tiefe.

»The night is like a lovely tune,

Beware my foolish heart.«

 

 

 

 

Die Freundschaft zwischen Flora und Margot erinnert mich stark an die beiden Freundinnen Lila und Elena aus der Neapolitanischen Saga von Elena Ferrante. Auch dort finden sich zwei Frauen bzw. Mädchen, die sehr verschieden sind, unterschiedliche Wege gehen, deren Freundschaft sich weiterentwickelt, aber Bestand hat.

Happy End? – Bei Sweeney natürlich nicht! Aber neue Perspektiven und Möglichkeiten tun sich auf. Gehofft wird natürlich darauf, dass sich die Worte auf dem Glückskeksband bewahrheiten: »Sie befinden sich in guter Gesellschaft.« Auf die Good Company!

 

Fazit: Lasst euch von meinem anfänglichen Hadern nicht abschrecken. »Unter Freunden« ist ein toller Roman mit Tiefgang. Lesenswert!

 

 

– Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt. –

Cynthia D’Aprix Sweeney

»Unter Freunden«

2021, ISBN 978-3-608-98448-4

Klett-Cotta