Lisa Taddeo »Three Women – Drei Frauen«

Lisa Taddeo »Three Women – Drei Frauen«

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Lisa Taddeos »Three Women« ist bereits im Januar 2020 in Deutschland erschienen und hatte in den USA schon für Furore gesorgt. Dolly Aldertons Fazit ziert den interessanten US-Buchumschlag mit den Worten: »Totally Addictive!« Vanity Fair relativiert die begeisternde Stimmung schon leicht: »A book that begs discussion!« Und nach einer Diskussion verlangt es tatsächlich, denn viele in Deutschland fragen sich: Ist es das Buch der Stunde über weibliche Sexualität zwischen Lust und Macht, anziehend und verstörend, vielschichtig, gewaltig und schön – so wie es der Verlag anpreist?

Meine persönliche Meinung zu dieser Frage: Nein, das ist es nicht. Es ist weder augenöffnend noch wegweisend – aber es ist trotzdem lesenswert! Es ist poetisch geschrieben und zeichnet drei sehr lebendig beschriebene Frauenschicksale.

Worum geht es?

»Three Women – Drei Frauen« erzählt die Geschichte des Begehrens, der Wünsche, Ängste und Verletzungen dreier Frauen, die die Autorin über acht Jahre hinweg getroffen hat.

Alles, was Lina will, ist, dass sie jemand begehrt. Wie ist sie in diese Ehe geraten, mit zwei Kindern und einem Mann, der sie nicht einmal mehr auf den Mund küsst?

Alles, was Maggie will, ist, dass sie jemand versteht. Wie konnte sie sich auf ihren Lehrer einlassen? Und warum scheinen alle nicht ihn, sondern sie dafür zu hassen?

Alles, was Sloane will, ist, dass sie jemand bewundert. Wie ist sie zum Objekt der Begierde eines Mannes geworden, ihres Mannes, der nichts lieber tut, als ihr beim Sex mit anderen zuzuschauen?

Wie fand ich es?

Das Buch steigt nicht direkt mit den drei Frauen ein, sondern mit persönlichen und erklärenden Worten Taddeos zu ihrer literarischen Reportage. Sie beschreibt ihre Herangehensweise und Motivation. Beginnt bei ihrer verstorbenen Mutter, die von einem Mann täglich auf dem Weg zu und von der Arbeit sexuell belästigt wurde, und fragt sich, warum sie dies zugelassen habe. Und so umkreist dieser wirklich fesselnde Prolog bereits das Thema: Frauen als Objekt männlicher Begierde. Wie prägt sie das Leben der Frauen und wie beeinflusst sie ihre eigenen Begierden?

Was für eine Frau willst du sein?

Maggie geht als High-School-Mädchen eine Affäre mit ihrem verheirateten Lehrer ein, sucht eine Vertrauensperson und Retter, der ihr einen Wert zuspricht. Sie wird jedoch emotional und sexuell ausgenutzt. Zehn Jahre später sagt sie im Prozess gegen ihn aus. Bewundernswert ist, dass sie erkannt hat, dass er ihr Leben vergiftet hat, sie jedoch am bestehenden System scheitert.

Sloane, Restaurantleiterin aus der Upperclass, ist mit ihrem Chefkoch verheiratet, den es anturnt, sie beim Sex mit fremden Männern zu beobachten. Sie ist selbstbewusst, sexuell experimentierfreudig und zufrieden mit sich und ihrem Körper. Sie weiß, was sie will, lässt sich jedoch vom Mann lenken und übernimmt seine Vorstellungen von Lust.

Lina, unglücklich verheiratet, ist emotional einsam. Ihr Mann vermeidet körperliche Zuneigung, gar ein inniger Kuss ist ihm schon zuwider. Diese fehlende Begierde löst in Lina seelische und körperliche Schmerzen aus, die erst abklingen, als sie ihren damaligen High-School-Schwarm wiedertrifft und eine Affäre mit ihm beginnt. Sie träumt davon, auszubrechen und mit ihm eine glückliche Familie zu gründen.

Diese drei Frauen eint der Wunsch, gesehen und geliebt zu werden. Sie entscheiden sich für das kleine Glück im Kosmos des Mannes, fühlen sich als kleine Göttin durch seine Liebe und Zuneigung. Lassen jedoch auch zu, dass er Macht über sie ausübt. Diese Entscheidung führt zu Schmerzen, emotionaler Einsamkeit und Fremdbestimmung. Signifikant ist auch das Verhalten der Frauen untereinander, sie ignorieren und verurteilen sich, handeln gar frauenverachtend und unterstützen somit das bestehende System. Sie stehen nicht für sich, sondern sind der Spielball der Männer. Ein Befreiungsschlag am Ende der Geschichte wäre schön, aber auch realistisch?

»Männer haben die Herzen von Frauen schon immer auf eine ganz bestimmte Weise gebrochen. Sie lieben sie oder lieben sie so halb und fühlen sich irgendwann ausgelaugt und ziehen sich innerlich über Wochen und Monate zurück, verschanzen sich in ihrer Höhle, verdrücken eine letzte Träne und rufen dann nie wieder an. Die Frauen aber warten.« (Prolog, S. 15 f.)

 

 

 

 

 

Die drei Frauenschicksale sind schonungslos authentisch, somit auch hässlich, aber trotzdem aufrichtig. Taddeo verschönert nichts. Die Frauen sind menschlich, machen Fehler aus. Wer eine romantisierte, verherrlichende Liebesgeschichte mit perfekten Menschen sucht, ist hier falsch. Es sind die Geschichten realer Frauen, die an sich zweifeln und sich an anderen ausrichten. Dazu ist Taddeo acht Jahre lang durchs Land gereist, hat unzählige Frauen getroffen und porträtiert nun beispielhaft das Einzelschicksal dreier Frauen, um »vom Feuer und vom Schmerz der weiblichen Lust zu erzählen«. Können drei Fälle alle Facetten des weiblichen Begehrens repräsentieren? Gerade diese drei Frauenbilder erscheinen sehr traditionell und bekannt. Beruhen sie doch alle auf dem Frauenbild von Taddeos Mutter, die die männliche Begierde akzeptiert und übernommen hat. Aber wo ist die sexuell selbstbestimmte Frau, die emanzipierte, die ihre Lust und Leidenschaft nicht von einem Mann abhängig macht? Sogar in der beliebten 90er/00er-Jahre-Serie »Sex and the City« wird das weibliche Geschlecht in seiner Sexualität vielschichtiger dargestellt. Für mich beleuchtet Taddeo daher nur eine Seite der Medaille, diese beschreibt sie jedoch sehr anschaulich und bewegend.

Taddeos Schreibstil ist anfangs eigenwillig, aber sie schreibt klar und eindringlich. Stilistisch gelungen. Die Zusammenhänge und Hintergründe sind fesselnd dargestellt. An vielen Stellen habe ich mich jedoch gefragt: Wo endet die Stimme von Taddeo, wo beginnt die ihrer Frauen? Taddeo ist nah an ihren Figuren dran, die Übergänge sind fließend. Das führt manchmal zu Verwirrungen.

Fazit

Ich bin zwiegespalten, hingerissen und enttäuscht.

Dem Urteil von Meredith Haaf, die für die Süddeutsche Zeitung am 12.1.2020 Taddeos Debüt besprochen hat, schließe ich mich an: »Diese ganz bestimmte Geschichte über das weibliche Wollen liest sich in einem schön gebundenen Buch mit architektonisch vollendeten Absätzen zwar tiefgründig – ist aber auch nichts anderes als das, was man sonst in Cosmopolitan oder Für Sie serviert bekommt.«[1] Doch würde ich es etwas wohlwollender einpacken: Mich hat ihre literarische Reportage nicht als sachliche Studie über das weibliche Begehren überzeugt, sondern als literarischer Erfahrungsbericht. Es ist ein kurzweiliger Roman, großartig geschrieben. Punkt.

 – Das Buch habe ich selbst erworben. –

Lisa Taddeo

»Three Women – Drei Frauen«

Übersetzt von Maria Hummitzsch

Piper Verlag

München 2020, 416 Seiten

ISBN 978-3492059824

[1] »Emotional übertölpelt, sexuell ausgenutzt« von Meredith Haaf, 12.01.2020, Süddeutsche Zeitung.