Für Renata war Konrad vieles: Lebenspartner, Liebhaber, Seelenverwandter, Freund, Vertrauter. Nur eines nicht: Ehemann – und das verändert alles! Sabine Gruber schreibt in „Die Dauer der Liebe“ gefühlvoll von einem schmerzhaften Abschied und vom Überleben. Trauer, Verlust, aber auch Wut und vielleicht Hoffnung lässt sie zu Wort kommen.
„Wenn ich vor dir tot sein sollte, werde ich aus Sehnsucht nach dir im Jenseits noch einmal sterben. Konrad hat Renata viele solcher Sätze ins Ohr geflüstert. Was Konrad aber nicht ahnen konnte: daß auch die Sehnsucht der Überlebenden gefährlich ist.“
Worum geht es?
Die Übersetzerin Renata verliert jäh ihren Lebensgefährten und wird mit gänzlich unerwarteten Konflikten konfrontiert. Sie muss sich außerdem selbst ins Leben zurückkämpfen und die Frage beantworten, ob Konrad, ihr Partner, Geheimnisse vor ihr hatte? Sabine Grubers Roman Die Dauer der Liebe ist ein ergreifendes, gelegentlich zorniges und manchmal auch komisches Buch. (Verlagstext)
Wie fand ich es?
Nach 25 Jahren Beziehung muss sich Renata von ihrem Lebenspartner Konrad verabschieden. Konrad verstirbt ganz plötzlich – die geplanten gemeinsamen weiteren Jahren, das Älterwerden lösen sich vor Renatas Augen in Luft auf. Was ihr bleibt, ist die Auseinandersetzung mit Konrads Mutter, seinem Bruder und seiner Schwester. Das getippte Testament hätte Renata vor seiner Familie schützen sollen, denn Konrad hatte sich schon mit Beginn seines Studiums von seiner Familie distanziert und den Kontakt auf ein Minimum begrenzt. Das Glorifizieren seiner Person, das bewusste Missverstehen, Erdrücken und Einengen sowie das Übersehen seiner Geschwister hatte er satt. Auch das Schlechtreden und die Gehässigkeiten gegenüber seiner früheren Partnerinnen und vor allem Renata lehnte er ab. Doch sein Testament wird nicht anerkannt, seine letzten Wünsche werden ignoriert. Was mich besonders trifft: Weder 25 Jahre Zweisamkeit noch sein letzter Wille können seine Mutter überzeugen, dass er trotz Kirchenaustritt keine christliche Trauerfeier mit Segnung und eine Einäscherung gewollt hätte, vielmehr ein schlichtes Begräbnis in Wien neben Renatas Grab.
„Es ist was es ist
sagt die LiebeEs ist Unglück
Erich Fried
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe“
Was Renata widerfährt, bricht mir das Herz. Erst verliert sie ihren Geliebten, dann räumt dessen Familie ihr gemeinsames Landhaus und die Wohnung leer – ohne vorher mit ihr zu sprechen. Statt gemeinsam zu trauern und sich gegenseitig Halt zu geben, Erinnerungen an Konrad auszutauschen, schiebt die Mutter Renata die Schuld an seinen Tod zu, verdreht ihre Geschichte und negiert ein Vierteljahrhundert! Ihre gemeinsam angeschafften oder vererbten antiken Möbel, Vasen und Kunstwerke verscherbelt Konrads Bruder auf einer Kleinanzeigenplattform für ein Bruchteil des Kaufpreises. Selbst die mit Renatas Namen bestickten Servietten werden einkassiert! Konrads Fotografien und Kunstwerke, die nach seinem Wunsch zunächst katalogisiert und sorgsam verpackt hätten werden sollen, werden von den Wänden genommen und unsortiert eingesteckt. Das was ihr bleibt und niemand ihr nehmen kann, sind nunmehr weiße Stellen an den Wänden und ihre Erinnerungen an ihn – so glaubt sie zunächst.
„Während Konrads Reisen […] war Renatas Alleinsein ein anderes als jetzt. Es war ein Alleinsein im Zusammensein. Jetzt ist es nur Alleinsein.“
Sabine Gruber versteht es, den Verlust, die Trauer und Leere sowie das Leben danach in Worte zu fassen. Sie schildert Renatas innere Schwere, Orientierungslosigkeit und Taubheit, ohne melodramatisch oder gefühlsduselig zu klingen. Wie Renata ihre ganze Kraft braucht, um zu überleben, und sich nicht imstande fühlt, sich noch mit seiner Familie zu streiten. Wie sie Erinnerungen an gemeinsame Urlaube, an Gespräche oder Geschichte an ihn wachruft. Wie sie Angst hat, beim Aufräumen seiner Sachen etwas zu finden, das ihre Erinnerungen, ihre gemeinsame Vergangenheit zur Illusion werden lässt – z. B. die kleinenhandgeschriebenen Zettel von C., die aus seinen Büchern und Hosen fallen. Renatas Schmerz fühlt sich sehr realistisch an, so sehr, dass ich nur langsam lesen konnte. Unterstrichen wird die Schwere vom reduzierten Schriftbild: die fehlenden Gänsefüßchen bei Dialogen spiegeln Renatas Taubheit und Kraftlosigkeit wider. „Die Dauer der Liebe“ verlangt eure voll Aufmerksamkeit und Zeit. Grubers Eindringlichkeit, Nähe und Einfühlungsvermögen machen es wirklich.
„Sieht man mir meine Zerrissenheit an, fragt sich Renata. Sieht man, daß ein Unsichtbarer an meiner Seite ist, daß er permanent mit mir spricht, mich berührt?“
Fazit
Wunderschön traurig, schmerzvoll schön. Sabine Gruber kann die Leerstelle, die ein geliebter Mensch hinterlässt, für uns greifbar machen genauso die Ängste und Sorgen, die noch lange nachhallen. Und sie zeigt, wie wichtig Freundschaften für das Weiterleben sind.
Ein großes Dankeschön an den C.H. Beck Verlag für das Leseexemplar.
Sabine Gruber „Die Dauer der Liebe“. Roman
C.H. Beck Verlag, 2023, 251 Seiten
ISBN: 978-3-406-80696-4