JP Delaney: The Girl Before – Sie war wie du. Und jetzt ist sie tot.

JP Delaney: The Girl Before – Sie war wie du. Und jetzt ist sie tot.

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„Kein anderes Buch wird 2017 für so viel Hype sorgen. Wir können jetzt schon sagen:
Das ist das Buch des Jahres.“ Instyle

„Thriller des Jahres“

„Die Weiterentwicklung des Psychothrillers. The Girl Before wird internationale Verlagsgeschichte schreiben.“

Erstaunlich ist, wie schnell Verlagsmühlen arbeiten können: The Girl Before hat in kürzester Zeit die Welt erobert: Gerade erst in Amerika erschienen (Jan. 2017), kurz darauf schon die New York Times-Bestsellerliste erstürmt, in Großbritannien ähnlich erfolgreich sowie in 35 weiteren Ländern, letzte Woche in Deutschland veröffentlicht (25. April). Und eine Verfilmung ist natürlich auch schon in Planung.

So etwas kann nicht in Gang gesetzt werden, wenn das Buch nicht für sich spricht. D. h. an jedem Gerücht findet man ein Quäntchen Wahrheit. Also, was blieb mir anderes übrig, als es selbst zu lesen? In einem anderen Kommentar heißt es nämlich, es reiche aus, nur die ersten beiden Kapitel zu lesen, danach könne höchstens noch ein Wirbelsturm einem den Thriller aus den Händen reißen.

In den ersten beiden Kapiteln werden die beiden Figuren Emma und Jane vorgestellt, ihre Lebensgeschichten spielen zeitversetzt: Emmas im Damals, Janes im Heute. Beide haben kurz zuvor Schicksalsschläge erlitten, weswegen sie in London auf Wohnungssuche sind. Wer einmal selbst eine Wohnung gesucht hat, weiß, dass man einige Kompromisse eingeht, wenn die verfügbare Wohnung nur annähernd dem Budget, den Vorstellungen und Wünschen entspricht. So ähnlich auch hier. Ein Architektenhaus, im besten Londoner Viertel, mit High-Tech ausgestattet, minimalistisches luxuriöses Design zu einem dafür geringen Mietzins. Haken sind der Bewerbungsprozess, der Architekt sucht den Bewerber anhand eines Fragebogens (u. a. „Listen Sie alle Dinge auf, die in Ihrem Leben unverzichtbar sind.“) selbst aus, und seine strengen, zahlreichen Hausregeln: keine Möbel, keine Bücher, keine persönlichen Gegenstände etc. Das Haus soll seine Bewohner verändern/verbessern – nicht umgekehrt.

(Ich habe angebissen und lese weiter.)

Beide Frauen lernen den Star-Architekten Edward Monkford persönlich kennen. Simon, Emmas Freund, registriert das Knistern zwischen ihnen und muss sich kurze Zeit später dem Haus und Architekten widerwillig vorerst geschlagen geben. Jane spürt ebenfalls eine Anziehung zu Edward. Es entwickelt sich jeweils eine Beziehung, Edward zieht sogar ins Haus ein. Das Haus und neue Leben wirken positiv auf die beiden Frauen, stärken sie und verleihen ihnen wieder Selbstvertrauen. Es scheint alles perfekt zu sein. Bis Jane von dem Tod ihrer Vormieterin erfährt, neugierig wird und in dem Fall selbst ermittelt. Das Haus ist ihr daraufhin wohl nicht mehr gesonnen, so empfindet auch Emma, die nach dem Beziehungsende allmählich glaubt, in einer feindlichen Umgebung zu leben, beobachtet und boykottiert zu werden.

Das abwechselnde Erzählen ihrer Schritte ermöglicht dem Leser, die Geschichten gegenüberzustellen, Parallelen zu ziehen und vorauszuahnen, was im Heute passieren wird – scheinbar. Delaney versetzt den Leser in den Glauben, mehr zu wissen als die beiden Figuren und somit auch zu wissen, welcher gemeinsame Nenner das Unglück herbeiruft. Ist es das Haus, das durch seine sterile, kalte Art den Menschen auf Dauer depressiv und paranoid macht? Die hochtechnische Überwachung jeder Bewegung und jedes Atemzuges, die einem das Gefühl gibt, kontrolliert und getadelt zu werden? Oder steckt der Erfinder Edward dahinter, der seine zwanghafte Perfektion auch auf andere überträgt, sie beeinflussen, beherrschen will? Ist er tatsächlich ein narzisstischer Soziopath, der nicht nur seine Frau und seinen Sohn, sondern auch Emma ermordete? Mit Jane geht der Leser auf die Suche nach Antworten, zweifelt mal an der Aufrichtigkeit der einen, mal an der der anderen Figur. Wie kann es so viele unterschiedliche Wahrnehmungen von einer Sache bzw. Person geben?

Manchmal habe ich beim Lesen vergessen, dass es ein Thriller ist – es erschien mir dann eher wie eine verquere Dreiecksbeziehung. Die Spannung wird langsam aufgebaut, entlädt sich dafür auf den letzten Seiten explosionsartig. Die psychologische Komponente tritt anfangs auch eher beiläufig, fast banal auf, so meint man erst. Aber je mehr Seiten man liest, umso vielschichtiger und umfassender offenbart sich das wahre Innere der Figuren – unglaublich raffiniert!

Fakt ist, es ist tatsächlich ein kreativer Psychothriller. Modern, mehrschichtig, unerwartet. Lest selbst, um zu beurteilen, ob Delaney mit The Girl Before alle anderen Thriller in diesem Jahr toppt.


JP Delaney: The Girl Before

Penguin Verlag

25.4.2017

ISBN: 978-3328100997