2 Bücher für die Weihnachtszeit – eines für die Seele, eines für die innere Stimme

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Robyn Carr „Herzenszauber in Thunder Point“

Robyn Carrs „Herzenszauber in Thunder Point“ war nach einer anstrengenden Arbeitsphase genau das Richtige, um gemütlich vor dem Kamin (eine DVD mit knisterndem Kaminfeuer tats auch) ins Sofa gekuschelt zu entspannen und neue Kräfte zu sammeln.

Wir treffen Devon McAllistair auf einer Landstraße mit ihrer kleinen Tochter Mercy an der Hand. Devon hat ihr Zuhause und den Vater ihrer Tochter über Nacht verlassen. Ständig vor Augen, dass er nach ihr suchen wird, und in Angst vor den Konsequenzen, sollte er sie doch finden, vermeidet sie stark befahrene Straßen, belebte Orte. Sie möchte doch nur ihrer Tochter eine gute, sichere Zukunft bieten. Dafür muss sie weg von Jacob, weg von ihrer Gemeinschaft „The Fellowship“. Rawley, ein gezeichneter Veteran, erahnt ihre Lage und will der eingeschüchterten und misstrauischen Frau helfen. Mit seiner Unterstützung lernt sie wieder, selbstbewusst zu sein, den Menschen zu vertrauen. Sie findet Freunde in dem herzensguten Küstenstädtchen Thunder Point und ist schließlich entschlossen, ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben. Doch dazu muss sie mit ihrer traumatischen Vergangenheit abschließen – ob Jacob damit einverstanden ist?

Robyn Carr erzählt auf einfühlsame Weise eine süße (Liebes-)Geschichte. Die Figuren sind sympathisch, warmherzig und gütig. Etwas unrealistisch mag es sein, dass alle Figuren ein großes Redebedürfnis haben, sich mitteilen und ihre Gefühle ausdrücken wollen. Probleme werden angesprochen, Verständnis wird gezeigt. Thunder Point wird wohl ausschließlich von Gutmenschen regiert! Dies ist vielleicht etwas überzogen – es ist aber auch erfrischend mal zu erleben, wie es sein kann, wenn wirklich alle, sogar die Männer, ihre Gefühle verbalisieren.

Interessant an diesem Roman ist, dass nicht die Figuren das Zentrum bilden, sondern die Stadt Thunder Point. So gibt es noch weitere Ausgaben zu den Figuren, die in dem beschaulichen Küstenstädtchen leben, aber in dieser Ausgabe nur als Nebenfiguren auftreten, wie Mac und Gina, Sarah, Liane. Jedes Buch ist aber in sich abgeschlossen, sodass man zum Beispiel auch mit diesem 3. Teil beginnen kann.

Fazit: Es ist wirklich ein schöner Roman, flüssig erzählt, hat gutherzige Figuren und – natürlich – einen positiven Ausgang. Er bietet keine Überraschungen, keinen Tiefgang, eignet sich dafür aber wunderbar zum Genießen, Freuen und Glücklichsein.

David Benioff „Stadt der Diebe“

David Benioffs „Stadt der Diebe“ ist ein außergewöhnlicher Abenteuerroman, der von einer ungewöhnlichen Freundschaft zweier junger Männer im Zweiten Weltkrieg erzählt. Dieses Buch bietet euch ein besonderes, zweifaches Leseerlebnis, beim Lesen selbst und danach – denn man hat noch lange daran zu knabbern!

Die Geschichte beginnt im Kriegswinter `42 in Russland. Die Deutschen sind auf dem Vormarsch und stehen kurz davor, Leningrad einzunehmen. Es ist ein besonders kalter Winter: Die Menschen leben zusammengepfercht, frieren, die Essensrationen werden weiter gekürzt, der Schwarzmarkt floriert, selbst kaum Essbares wird teuer verkauft, weder Haustiere noch Nutzvieh leben noch. Es herrscht Anarchie. Um nicht zu verhungern, plündert der 17-jährige Lew, wird dabei jedoch erwischt und landet im Gefängnis. Dort lernt er Kolja kennen, einen jungen Mann, der desertiert ist. Vom örtlichen Geheimdienstchef erhalten die beiden Gefangenen einen schier unlösbaren Auftrag: Sie sollen innerhalb einer Woche für eine Hochzeitstorte seiner Tochter ein Dutzend Eier besorgen. Ablehnen würde die Todesstrafe bedeuten. Daher ziehen sie mit einem Passierschein ausgestattet durchs karge Land, geraten zwischen die Fronten, treffen auf Kannibalen. Doch wo sollen sie in einem ausgehungerten Land Hühner oder gar Eier finden?

Benioff ist ein genialer Erzähler, er schreibt sehr feinfühlig und kann die Grausamkeiten mit Humor und Leichtigkeit vergessen machen. Jede Figur wurde mit Sorgfalt und bewusst konzipiert. Sie leben, haben Tiefgang und eine Seele. Einfühlsam erzählt er, wie die beiden grundverschiedenen Jungen durch eine unlösbare Aufgabe miteinander verbunden werden, wie ihre Freundschaft unter den grausamen Bedingungen wächst.

Die Szenen sind nie überladen, angemessen gewichtet. Es sind vor allem eindrucksvolle Schilderungen der Landschaften. Der Leser wird in diese Welt katapultiert. Er selbst verspürt die bittere Kälte, die Verzweiflung, den nagenden Hunger, die Erschöpfung und lernt viel über die unmenschlichen Gräuel, die ein Krieg und Aushungern der Menschen anrichten können.

Fazit: Trotz des traurigen Themas und des geschilderten Elends hinterlässt es auch ein positives Gefühl, veranschaulicht insbesondere die Kraft der Freundschaft. Das Buch hat mich sehr bewegt und gehört zu den wenigen Büchern, die sich lohnen, auch ein zweites und ein drittes Mal zu lesen.

Robin Carr: Herzenszauber in Thunder Point

320 Seiten, MIRA Taschenbuch, 2016

ISBN: 978-3956496158

David Benioff: Die Stadt der Diebe

384 Seiten, Heyne Verlag, 2010

ISBN: 978-3453407152