Chris Lloyd „Paris Requiem“

Chris Lloyd „Paris Requiem“

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Ein Kriminalroman, der diese Bezeichnung wirklich verdient! Denn hier wird tatsächlich ermittelt: Inspecteur Eddie Giral geht auf die Straße, befragt Zeugen und trifft sich mit Informanden, er kombiniert klug und vertraut auf seinen Instinkt – ganz ohne technischen Firlefanz. Das ist auch kaum möglich, denn wir befinden uns im Kriegsjahr 1940, in von den Deutschen besetzten Paris. Eddie wird zu einem Mordfall gerufen, der nicht nur auf eine skrupellose Bande der Banden hindeutet, in der die deutschen Besatzer ebenfalls involviert sind, sondern der ihn zusätzlich in seine eigene Vergangenheit versetzt. Chris Lloyd webt in „Paris Requiem“ eine vielschichtige Kriminalgeschichte mit historischen Fakten.

Mit Zuckerbrot und Peitsche – so lernt Eddie, unser Ich-Erzähler, die deutschen Besatzer kennen, allen voran Hochstetter, den Major der Deutschen Abwehr, mit dem er gezwungen wird zusammenzuarbeiten. Eine Kollaboration, die lediglich darauf ausgerichtet ist, dass die französischen Polizisten ihr eigenes Volk kontrollieren und die Ordnung aufrechterhalten sollen. Eddie und seinem Kollege Boniface liegt aber viel mehr daran, den grausamen Mord an einem eigentlich in Fresnes einsitzenden Dieb aufzuklären. So stellen sich ihm mehr als nur die Frage, wer der Mörder ist, sondern auch, wer die Macht hat, ihn und einige andere Verbrecher aus dem Gefängnis zu entlassen, wem der Mörder mit dem Toten eine Warnung schicken wollte und wie die Deutschen damit zusammenhängen. Denn je weiter seine Ermittlungen gehen, er mehr und mehr entdeckt, dass sich eine Bande der Banden aufbaut, die viertelübergreifend und skrupelloser als je zuvor operiert, desto mehr interessieren sich die Deutschen für ihn – und nicht nur die Wehrmacht. Der SD und die Gestapo verfolgen und verhören ihn.

„Ich erinnerte mich an Dominique, die mir vorgeworfen hatte, mich für das einzige Opfer des Kriegs zu halten. Natürlich war ich das nicht. Aber ich war ein Opfer. Ich war so angeschlagen und windschief wie die Kugel, ich hatte die Orientierung verloren.“

Die Ereignisse um den Mord erwecken seine eigenen tief vergrabene Vergangenheit, seine Zeit als Rausschmeißer im Jazzclub, seine große Liebe, sein Sohn und allen voran seine Erlebnisse im Ersten Weltkrieg, die Schützengräben und das deutsche Gefangenenlager. Diese Zeit hat ihn stark geprägt, verhärmt und isoliert. Doch sein Kampfeswille ist noch da und so versucht er alles, um für seine zurückgelassenen Freunde da zu sein, sich ihre Vergebung zu verdienen.

„Weißt du, Eddie, du bist kein schlechter Mann. Du vergisst nur manchmal, ein guter zu sein.“

Deutlich wird, dass während des Kriegs und der Okkupation es zwei Wege gibt zu handeln: Wegschauen und kooperieren wie Eddies Chef oder Widerstand leisten und für das Gute einstehen. Eddie kann natürlich seine Füße nicht stillhalten. Ihm wird aber bewusst, dass es in einer solchen Zeit nicht nur schwarz und weiß gibt, dass er auch mit den Grauschattierungen arbeiten und auf seine Freunde und Verbündete vertrauen muss, um etwas zu erreichen – vielleicht sogar das kleinere Übel wählen muss…

Fazit

Chris Lloyd hat mit dem zweiten Eddie Giral einen vielschichtigen spannenden Krimi vorgelegt mit unerwarteten Wendungen, berührenden Schicksalen eingebettet in traurig erschreckenden historischen Ereignissen. Es hat ein paar Seiten gebraucht, bis ich mich an den Schreibstil gewöhnt habe, und auch einige unnötige Rechtschreibfehler haben mich abgelenkt, aber ich wurde mit einer richtig klugen Geschichte belohnt! Für klassische Ermittler-Fans ein Muss!

Vielen Dank an den Suhrkamp Verlag und an vorablesen.de für das Leseexemplar.

Chris Lloyd „Paris Requiem. Eine Kriminalgeschichte | Eddie Giral 2“

Aus dem Englischen von Stefan Lux, herausgegeben von Thomas Wörtche

Suhrkamp Verlag, 2024, 446 Seiten

ISBN: 978-3-518-47373-3