Christiane Wünsche „Schwestern in einem anderen Leben“

Christiane Wünsche „Schwestern in einem anderen Leben“

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Vorsicht, liebe Bookies! Bei diesem Familienroman besteht die Gefahr, dass ihr euch in alle Protagonisten verliebt! Wie kann das sein? Christiane Wünsches Figuren in ihrem gerade erschienenen Roman „Schwestern in einem anderen Leben“ sind nicht perfekt, sondern menschlich, machen Fehler, handeln egoistisch, sind sich dabei aber selbst gegenüber ehrlich – und gerade deshalb strahlen ihre Herzen diese positive Wärme aus. Liebenswert!

Der Roman handelt von der niederrheinischen Familie Ortmann – eine glückliche, normale, bodenständige Familie –, die im Jahr 1976 einen alles verändernden Schicksalsschlag erlebt, mit dem jedes Familienmitglied auf seine eigene Weise umgeht. Intensität und Nähe entstehen durch die Perspektivsicht auf die einzelnen Figuren: Die 16-jährige Rebecca, das schwarze Schaf der Familie, fühlt sich von ihren Eltern missverstanden. Sie liebt die Freiheit, ist mutig, stürmt voraus. Ihre ältere Schwester Ruth, eher zurückhaltend und brav, steht vor ihrem Studium in Köln, will allerdings viel lieber bei ihrer Familie zu Hause bleiben. Das Küken Miriam, 11 Jahre, ist die Beschützerin ihrer älteren Schwester Rebecca, die sie für ihre ungebändigte Art bewundert. Mutter Hilde versucht die Familie zusammenzuhalten, übersieht dabei aber die individuellen Bedürfnisse ihrer Kinder. Da „Schwestern in einem anderen Leben“ nicht chronologisch erzählt wird, springen wir zwischen der Vergangenheit von 1976 aus und der Gegenwart hin und her, und nähern uns langsam an. Im Heute begegnen wir der starken, fest im Leben stehenden, unabhängigen Rosalie Meyer. Statt mit Blutsverwandten hat sie sich im Laufe ihres Lebens eine Wahlfamilie aufgebaut aus Freunden, die sie gestärkt und geprägt haben. Von dieser Ausgangssituation aus bringt eine Nachrichtenmeldung Rosies vergrabene Vergangenheit an die Luft, die sie vor eine Entscheidung mit schwerwiegenden Folgen stellt.

„In diesem Augenblick fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, was den eigentlichen Reiz des Stadtlebens ausmachte: die Chance auf absolute Anonymität. Die Erkenntnis, ebenso banal wie verwegen, ließ ihren gesamten Körper vor Aufregung vibrieren. In der Großstadt konnte sie für alle anderen ein Nichts und für sich selbst alles sein.“ Rosie

Die Verwebung der Zeitebenen hat den Effekt, dass wir zwar ungefähr wissen oder meinen zu wissen, was und wie es bereits passiert ist, dann allerdings ist die Verblüffung groß, denn es kommt meist anders, als man denkt. Für mich ist es zudem mehr als ein Familienroman, es ist ein Zeitzeugnis, das uns die noch nicht allzu weit zurückliegenden Ereignisse aus Politik, Kultur und Gesellschaft wieder ins Bewusstsein ruft und uns vergessene Zeiten vor Augen führt.

Fazit

Klug verschachtelt, spannende Geschichte, Figuren zum Verlieben. Ein berührender, sanft erzählter Roman, durch den wir eine aus dem Takt geratene Familie über mehrere Jahrzehnte begleiten können, der für uns Lesende Überraschungen bereithält und uns in die deutsche Geschichte eintauchen lässt. Große Leseempfehlung!

Vielen Dank an den Fischer Krüger Verlag für das Leseexemplar.

Christiane Wünsche „Schwestern in einem anderen Leben“

Fischer Krüger, 2024, 416 Seiten

ISBN: 978-3-8105-3093-6