CJ Hauser „Die Kranichfrau. Warum ich meine Hochzeit absagte und andere Liebeserklärungen“

CJ Hauser „Die Kranichfrau. Warum ich meine Hochzeit absagte und andere Liebeserklärungen“

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Lesevergnügen pur! CJ Hausers Essaysammlung „Die Kranichfrau. Warum ich meine Hochzeit absagte und andere Liebeserklärungen“ bietet ein unglaubliches Lesevergnügen. Nicht, weil es in den Geschichten um Liebe geht und sie so romantisch sind, sondern weil CJ Hauser mit ihrer Art des Erzählens, ihrer Offenheit und ihrem klugen Schreibstil mich vom ersten Wort an abgeholt hat. Die Lektüre fühlt sich wie eine Therapiesitzung an, in der ich zwar die Therapeutin darstelle und Hauser als Patientin von sich, ihrer Vergangenheit, speziell ihren gescheiterten Beziehungen erzählt, sie aber gleichzeitig auch die Analyse und Erkenntnisse, somit die Lehre aus ihnen mitliefert. So bleibt mir nicht viel zu tun, außer ihren Erzählungen gebannt zu lauschen bzw. zu lesen. Herrlich.

„Ich bin durchlässig für die Welt, eine Art Schwamm, der die Angewohnheiten und Interessen der Menschen, die er liebt, freudig aufsaugt. Meine Lebensaufgabe besteht darin, festere Grenzmauern um mich herum hochzuziehen, sodass ich herausfinden kann, wo ich aufhöre und die Menschen, die ich liebe, beginnen.“

Hauser verbindet in ihren nicht fiktionalen Essays persönliche Erlebnisse und Begegnungen mit der Frage nach der wahren Liebe. Dazu dezidiert sie ihre Beziehungen, entwickelt Strategien zur Partnersuche, folgt Vorbildern und überwirft wieder alles. Sie sucht nach Fehlern, um daran zu wachsen. Für mich sind es aber nicht einfach autobiografische Erzählungen, das Besondere, das für mich total Faszinierende ist die Verbindung ihrer Erinnerungen mit einer literaturwissenschaftlichen Herangehensweise. Sie verknüpft ihre Erlebnisse mit Begegnungen und Erinnerungen aus Literatur, Film, Musik, Theater und vielem mehr und führt anhand dessen eine wissenschaftliche Analyse über ihr Liebesleben durch – eine Art populärwissenschaftliche Abhandlung mit persönlichem Bezug.

Worum geht es?

Millionenfach geklickt, gelesen, gefeiert: die grandiose Geschichte über Liebesarten im 21. Jahrhundert!

Ende dreißig, single, kinderlos – und endlich nicht mehr fremdbestimmt. In „Die Kranichfrau“ erzählt CJ Hauser, wie aufreibend und befreiend es war, die Erwartungen anderer endlich hinter sich zu lassen. Es ist ein Buch über Liebe, Scham und Scheitern, über falsche Glücksvorstellungen und echtes Begehren. Berührend, selbstironisch und so gnadenlos ehrlich, dass es bisweilen eine therapeutische Wirkung entfacht. (Verlagstext)

Wie fand ich es?

Die wenigsten haben Lust, sich ihrer Vergangenheit zu stellen, gescheiterte Beziehungen genauesten zu sezieren und die eigenen Fehler daraus zu ermitteln. Deutlich wird beim Lesen, dass Hauser besonders auf ihre eigenen Mängel schaut, bei sich sucht, warum eine Beziehung zerbrochen ist. Gerade aber im titelgebenden Essay, das Bezug nimmt auf ein altes japanisches Volksmärchen „Kranichfrau“, wird ihr vor Augen geführt, dass an einer Beziehung zwei Menschen beteiligt sind und dass eben auch beide an deren Scheitern Schuld tragen. Ihr wird bewusst, wie einseitig ihre Partnerschaft ist, wie unglücklich sie sie macht, wie sie sich selbst darin verliert, und zieht die Notbremse. Sie erkennt, wie wichtig es ist, bei sich zu bleiben, darauf zu hören, was man braucht und es auch vom Partner oder der Partnerin zu fordern. Ihre Erleuchtung: werde geliebt, so wie du bist, und liebe, ohne dich selbst aufzugeben oder zu zerstören. Sie erzählt im Zuge dessen aber auch von aufmerksamen Menschen, die sie binnen eines Moments erkennen und verstehen, was sie braucht, wie es ihr Partner in drei Jahren Beziehung nicht geschafft hat.

„Es gibt Arten verwundet zu werden, und diese Möglichkeiten, diese Wunden zu überleben, aber niemand kann überleben, indem er, indem sie die eigenen Bedürfnisse verdrängt. Eine Existenz als Kranichfrau ist nicht auszuhalten.“

Besonders gefallen hat mir das Essay „Hepburn qua Hepburn“ über den Film Die Nacht vor der Hochzeit. Mithilfe dieses Films analysiert sie ihre eigenen Erwartungen an die Liebe, an einen Partner. Das Verhängnisvolle an diesem Film ist, dass die Protagonistin zwischen Männern wählt bzw. wählen muss, die eine von ihnen selbst kreierte Version der Frau heiraten wollen, sie gar nicht sehen, wie sie wirklich ist. Spannend zu lesen ist, wie sich ihr Bild vom Film und seiner Aussagekraft im Laufe ihres Lebens verändert, reift. Als Teenager von der Liebe überwältigt und nur die Frage im Blick: Wen soll Hepburn wählen, wer ist der Richtige für sie?, richtet sie ihren Fokus im Laufe ihrer persönlichen Entwicklung mehr und mehr auf die Frau, die Schauspielerin Hepburn selbst. So sind nicht die Versionen, die Partner in einem sehen wollen, wichtig, sondern die Antwort auf die Frage „Wer bin ich und wer will ich sein?“. Hauser schlussfolgert, dass in einer Partnerschaft Menschlichkeit, die Akzeptanz gerade der schlechten Seiten zählen.

„Das wollte ich.[…] Jemanden, der sieht, was für eine furchtbare Entgleisung du bist, und sich darauf einlässt. Jemanden, der unnachgiebig deine Fehler bemerkt und dich zu einem besseren Menschen werden lässt. Das, entschied ich, war die ehrlichste Art zu lieben.“

Aber auch diese Überlegungen führen nicht zu dem Richtigen. Hauser wird bewusst, dass beide Seiten geliebt werden müssen, denn auf Dauer immer seine eigenen Schwächen vorgehalten zu bekommen, führt zu einer Missstimmung und einem Ungleichgewicht in der Partnerschaft. Somit scheitert auch Hausers nächste Beziehung, die unter diesem Vorsatz aufgenommen wurde. Ich habe mich gefragt, ob, sie jemals jemanden findet, der sie so sieht und liebt, wie sie ist. Oder ob es einfach ihr Ziel sein sollte, sich selbst zu finden.

Und ganz nebenbei: Das Essay mit Bezug auf den Zauberer von Oz ließ mich ins Schwärmen kommen. Was hätte ich darum gegeben, so einen Großvater zu haben!

Der Band enthält vieles, aber auch Antworten? Von Scullymulderismus und Autopsieregeln, Fantasticks und das Ende eines Musicals über die falsche Beatrix-Potter-Figur, die Don-Quijotes-Mission und die fantastische Welt des Zauberer von Oz bis zum Rebecca-Geist und zur Kranichfrau – mithilfe dieser Bezüge, die ihr als Allegorie dienen, laufen wir ihre Partnerschaften ab und filtern die Essenz guter Beziehungen heraus: Verantwortung, Wahrnehmung des anderen, gegenseitiges bedingungsloses Vertrauen.

„Ich war jemand, der gegenseitiges Vertrauen suchte. Ich war jemand, der glauben wollte, dass zwei Menschen, die auf vollkommen unterschiedliche Art und Weise auf dieser Welt lebten […], ein rein instinktives Vertrauen zueinander aufbauen konnten. Dass man dafür nicht an dieselben Dinge glauben oder dasselbe Leben gelebt haben muss. Dass Unterschiede einfach nur Unterschiede sind. Etwas Menschliches. Dass sie sich nicht in einem perfekten Kreislauf gegenseitiger Ergänzungen auflösen müssen. Nicht pathologisiert werden müssen. Man muss einfach nur daran, glauben, dass die Dinge des anderen auch echt und berechtigt sind.“

Fazit

CJ Hausers Essays über sich, ihre Vergangenheit, ihre Liebesbeziehungen und Begegnungen mit Menschen sind spannend, authentisch und bewegend. Eine wunderbare Reflexion über Liebe, Partnerschaft und das Ich, die Wahrung des Ichs für ein Wir.

Lesenswert!

Vielen Dank an den C.H. Beck Verlag für das Leseexemplar.

CJ Hauser „Die Kranichfrau. Warum ich meine Hochzeit absagte und andere Liebeserklärungen“

Aus dem Englischen von Hanna Hesse

C.H. Beck Verlag, 2023, 336 Seiten

ISBN: 978-3-406-79831-3