Carolin Kebekus und Mariella Tripke »Es kann nur eine geben«

Carolin Kebekus und Mariella Tripke »Es kann nur eine geben«

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Eigentlich wollte ich nur mal kurz in Carolin Kebekus‘ und Mariella Tripkes »Es kann nur eine geben« reinhören. Neugier eben. Aber daraus wurde dann ein gespanntes Bis-zum-Ende-Hören.

„Ich will den Finger in die Wunde legen!“ Carolin Kebekus über Frauen an der Spitze.

Carolin Kebekus ist eine erfolgreiche, preisgekrönte Comedienne, die in »Es kann nur eine geben« feministische Themen auf ihre humorvolle Art bespricht. Diejenigen, die gerade stöhnend den Kopf schütteln, weil sie den Begriff „Feminismus“ verteufeln, haben ein absolut falsches Verständnis von Feminismus. Denn den Feminist*innen geht es um Gleichberechtigung aller Menschen. Und dass diese noch längst nicht erreicht ist, wird in vielen, oder gar allen Bereichen deutlich: in der Kirche, Politik, Arbeitswelt, in Filmen, Serien, Werbung, Büchern, Märchen etc.

„Für Frauen gibt es keine Vielfalt in der Darstellung, sondern gefühlt ist es immer nur die Eine. Die eine Prinzessin im Märchen, die eine Maria im Krippenspiel. Das lernt man schon als kleines Kind.“

Um die Gleichstellung zu erreichen, so zeigt Kebekus auf, müssen aber vor allem die Frauenrechte gestärkt, die Gleichstellung in allen Bereichen gefördert und die traditionellen Geschlechterrollen sowohl der Frau wie auch des Mannes aufgebrochen werden. In den oben genannten Bereichen finden sich nur allzu oft die schematisch gezeichneten Frauenbilder. Sie verdeutlicht, dass es nicht nur die eine Frau bzw. die vorgezeichneten Frauen gibt, sondern dass Frauen vielfältig sind und so sein dürfen, wie sie sein wollen. Und damit ist auch gemeint, dass sie rosa Kleider anziehen, sich schminken und mit Puppen spielen, aber genauso Hosen tragen, Onlinegames zocken und Rennautos fahren dürfen. Die Welt braucht mehr vielseitige Frauenvorbilder! Dies verknüpft Kebekus mit ihrem Plädoyer für mehr Frauensolidarität. Wir müssen uns gegenseitig unterstützen und nicht einander Steine in den Weg legen.

Sie schreibt bzw. spricht von ihren eigenen Erfahrungen in einer von Männern dominierten Welt. Häufig war/ist sie bei Auftritten die einzige Frau zwischen ihren männlichen Kollegen, nicht weil es keine weiteren Comedienne gab/gibt, sondern weil den Entscheidern eine Frau ausreicht. Wenn umgekehrt in einer Show ausschließlich Frauen auftreten, dann heißt es gleich Ladysnight, auch wenn allgemeine Themen besprochen werden und die Zielgruppe alle Geschlechter umfasst – das Pendant dazu, Mennight, gibt es jedoch nicht. Das große Problem ist, dass viele Menschen im öffentlichen oder im privaten Raum gar nicht erkennen, dass ihr Handeln gerade eine Person, meistens eine Frau, diskriminiert, ausschließt oder bevormundet. Kebekus macht dies sichtbar, zeigt auf, was daran falsch ist und wie man sich anders verhalten könnte.

„Mein Bruder hatte die Auswahl aus mannigfaltig vielen männlichen Schlümpfen [bezogen auf das Figurenpersonal der Zeichentrickserie »Die Schlümpfe«]. Er konnte sich aussuchen, wer er sein wollte: der starke Schlumpf, der Kochschlumpf, der Beauty-Schlumpf. Für mich gab’s nur die Schlumpfine. Und die ist einfach immer nur heulend weggerannt, wenn’s schwierig wurde.“

Bewundernswert ist, dass sie offen ihren eigenen Selbstreflexionsprozess beschreibt, ihren Wandel hin zu einer Frau, die andere Frauen respektiert, so wie sie sind, ihnen ehrliche Komplimente macht und sie auf ihren Lebensweg unterstützt. Sympathisch sind auch ihre privaten Einblicke und persönlichen Erlebnisse. So leitet sie über ihre persönlichen Anekdoten aus ihrer Kindheit, Jugend oder ihrem Erwachsenenleben auf das allgemeine Problem hin. Unterstützt werden ihre Thesen und Aussagen durch Statistiken, Fakten und Untersuchungen qualifizierter Menschen.

Besonders wichtig finde ich das Kapitel »Nein, heißt jetzt auch nein«. Sexuelle Nötigung, das Begrabschen, Bedrängen, ist nun endlich strafbar! Was sich aber nicht geändert hat: Oftmals schwingt bei sexuellem Missbrauch immer noch ein gewisses Misstrauen dem Opfer gegenüber mit. Fragen, wie „Trägt sie nicht vielleicht eine Mitschuld an dem, was ihr passiert ist? Hat sie sich denn überhaupt genügend gewehrt? Oder hat sie es vielleicht sogar provoziert (durch ihre Kleidung oder ihr Verhalten)? Hat sie denn auch deutlich ihre Ablehnung gezeigt?“, werden nicht selten aufgeworfen. Warum ist das so? Bei anderen Verbrechen wird dem Opfer nicht vorgeworfen, das Verbrechen eventuell selbst verursacht oder gewollt zu haben. Sexualdelikte werden immer noch anders betrachtet. Aber eins sollte sicher sein: Mein Körper gehört mir! Und nein heißt nein.

Auch ihr Kapitel über die Rückständigkeit der Politik in Sachen Abtreibungsgesetz (§ 218 StGB) ist sehr wichtig und sollte weiter diskutiert bzw. das Gesetz sollte reformiert werden. Hier macht Kebekus deutlich, dass die meisten männlichen Politiker Frauen nichts zutrauen, indem sie an dem Gesetz festhalten. Sie sprechen damit den Frauen Verstand und Entscheidungsfähigkeit ab, entmündigen sie. Es wäre so einfach, jeder Frau ohne bürokratische Hürden und Gesetzesbruch adäquate Hilfe in einer solchen Stresssituation anzubieten: Freie Information, offenes Gespräch, unkomplizierte Behandlung und ehrliche Fürsorge sind notwendig. Leider ist, seit Alice Schwarzer das Thema 1971 in die Öffentlichkeit getragen hat, noch viel zu wenig passiert. Hervorzuheben ist, dass es weiterhin Frauen gibt, die gegen diese Diskriminierung trotz Strafandrohung ankämpfen. Dies ist besonders wichtig im Hinblick auf den Rückschritt einiger Nachbarländer, wie Polen, oder die Gesetzesänderung in einigen Staaten der USA.

Fazit

Ich bin froh, dass ich zum Hörbuch gegriffen habe, denn Kebekus liest selbst vor, und das klingt einfach so, als würde sie mitten in meinem Wohnzimmer stehen und ihre Show abspielen. Mit ihrer Ausdrucksstärke, Pointierung, Ironie, Dringlichkeit und ihrer einfach tollen Erzählkunst ist das Hörbuch eine kleine Show.

Sie webt ihren Humor in dieses wichtige, hoch aktuelle Thema ein. Das macht die ganze Sache spritzig und lockert auf. Sie bringt aber auch den nötigen Ernst mit. Sie formuliert klar und nachvollziehbar. Ich kam aus dem Nicken, Kopfschütteln und Lachen nicht mehr heraus. Ein toller Grundkurs in Sachen Feminismus!

 

Nebenbei: Habt ihr schon einmal den Bechdel-Wallace-Test gemacht? Damit lassen sich Stereotypisierungen weiblicher Figuren in Spielfilmen wahrnehmen und aufzeigen, wo eben diesen Frauenrollen eine insgesamt untergeordnete Bedeutung beigemessen wird. Nur die wenigsten Filme bestehen den Test und haben eigenständige weibliche Figuren. Drei einfache Fragen müsst ihr euch dazu stellen.

  • Gibt es mindestens zwei Frauenrollen?
  • Sprechen sie miteinander?
  • Unterhalten sie sich über etwas anderes als über einen Mann?

In jüngeren Varianten des Tests wird zusätzlich gefragt, ob die beiden Frauen im Film einen Namen haben.[1]

Durchgefallen sind Filme, wie Avatar, Mission: Impossible – Fallout, Phantastische Tierwesen 2: Grindelwalds Verbrechen, Django Unchained, The Avengers, Trance, Das Leben der Anderen, Star Trek: Into Darkness, After Earth…

 

 – Das Hörbuch stammt aus der Hörbuchmediathek von Deezer, selbst bezahlt. –

Carolin Kebekus, Mariella Tripke »Es kann nur eine geben«

Hörbuch vom Argon Verlag, gesprochen von Carolin Kebekus

7. Oktober 2021, 8 Stunden und 32 Minuten

KiWi-Paperback, 352 Seiten, 2021

ISBN: 978-3462001747

[1] https://bechdeltest.com