Maggie Millner „Paare. Eine Liebesgeschichte“

Maggie Millner „Paare. Eine Liebesgeschichte“

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Vertrautes oder Neues? Sicherheit oder Abenteuer? Verbundenheit oder Verlangen? Festes oder Lockeres? Mann oder Frau? Lyrik oder Prosa?

Die Protagonistin in Maggie Millners Buch „Paare“ steht vor der Frage, ob es richtig war, die sichere und vertraute langjährige Beziehung mit ihrem Partner für eine Frau, die in ihr bisher unbekannte Fantasien, Verlangen und Sehnsüchte weckt, aufgegeben zu haben. Zwar hat sie sich auf die neue Frau in ihrem Leben eingelassen, hat alles Alte, Bürgerliche, Monogame abgestreift, führt ein freies Leben ohne Tabus. Allerdings mehren sich Zweifel und Unzufriedenheit, spürt sie doch immer noch eine Verbindung und Sehnsucht zu ihrem ehemaligen Partner. Zudem hat sie mit der Polyamorie ihrer Partnerin zu kämpfen, Ängste, Misstrauen und Wut erwachsen daraus. Aber sollte sie nicht glücklich sein, ihre geheimsten Gelüste, ihre Sexualität mit ihr ausleben zu können? Muss sie sich für einen Weg entscheiden?

Diese Dreiecksgeschichte ist nicht nur angesichts der queeren und polyamoren Lebens- und Liebesweise modern, sondern hebt sich auch durch die Darstellungsweise von anderen Erzählungen ab. Millner wechselt zwischen Lyrik und Prosa mit Ich- und Du-Stimme. Ihre Sprache ist peppig, jung und ehrlich. Besonders gefallen haben mir die Gedichte, so ineinander verschlungen, schwungvoll. Die Prosastücke in Du-Form ergänzen den lyrischen Part. Durch den Perspektivwechsel wird man in den Zwiespalt der Protagonistin hineingesogen, versucht für sich selbst zu entscheiden, welche Partnerschaft Erfüllung und Stabilität bringt.

Ebenfalls spannend ist, die Protagonistin auf ihren Weg zu sich selbst zu begleiten: Ihre Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, die Formulierung ihrer innersten Wünsche, aber auch ihre Reflexion, dass sie vielleicht mehr braucht für ihre persönliche Erfüllung als reine Sinnlichkeit und Sexualität.

„Manchmal verließ ich am Morgen die Wohnung /
meiner Freundin und sah kurz alle Episoden / 

meiner Existenz als Bogen – durchgehend, ohne Brüche. /
Ich sah eine Person, die hauptsächlich Männer küsste, /

Gedichte im gängigen Stil verfasste und einen Kater /
hielt. Davor war sie ein kleines Mädchen gewesen, später /

dann verändert. Was / 
will ich damit sagen? Dass /

all diese vielen Ichs – du sollst sie sehen – /
aus vielen Linien bestehen, /

und eines Tages fingen sie an, sich zu kreuzen /
wie nach einem obskuren Plan, und ab dann /

wurde die Analyse des Gewirrs mein illustrer /
Lebensinhalt. Oder vielleicht war das Muster /

mein Leben und die Analyse der Alltag darin. /
Denn Sexualität gehört immerhin /

zu den rein formalen Problemen: /
Für seine Zeit auf Erden eine Gestalt anzunehmen, /

die sich natürlich anfühlt, nicht aufgezwungen, /
eine Gestalt, in der das Verlangen /

sich vermehren kann, am besten beliebig. /
Und ist nicht auch die Liebe an sich /

ein Reim? Haben Gender und Genre nicht /
denselben Stamm? Vielleicht bin ich wirklich /

eine Dichterin und brauche unperfekte Verse, /
die ein Ich ergeben, die Lüge vom Sinn."

Ausgezeichnet ist ebenfalls die außergewöhnlich treffsichere Übersetzung von Eva Bonné. Sie hat den lyrischen Part beeindruckend umgesetzt.

Fazit

Eine poetische Erkundung der Wünsche, Sehnsüchte und Grenzen von Partnerschaft und der Frage, was man vom Partner oder der Partnerin erwartet und braucht und was man ihr oder ihm zu geben vermag, um eine Partnerschaft auf Augenhöhe zu führen und – mitunter das wichtigste – sich selbst gegenüber ehrlich zu sein für das eigene Glück.

Maggie Millners „Paare“ hat mich fasziniert und mitgenommen. Bestens geeignet zu zweit zu lesen und zu reflektieren, was einem als Paar ausmacht. Happy Valentines Day ♡

Vielen Dank an den Klett-Cotta Verlag für das Leseexemplar.

Maggie Millner „Paare. Eine Liebesgeschichte“

Aus dem amerikanischen Englisch von Eva Bonné

Klett-Cotta, 2024, 128 Seiten

ISBN: 978-3-608-96612-1