Sebastian Fitzek „Mimik“

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Es ist nicht alles Gold, was glänzt. So ist auch nicht jeder Fitzek ein Volltreffer und trotzdem steht er wieder ganz oben auf der Bestsellerliste – ein Phänomen.

Ich bin nicht unbedingt ein Fitzek-Fan, aber bei so vielen begeisterten Fitzek-Stimmen wollte ich es dann doch noch einmal probieren. Also, auf ein Neues. Sein Teaser zu seiner Buchtournee hat mich tatsächlich angefixt. Ich habe direkt 2 Karten für seine Live-Show in Düsseldorf gekauft und natürlich das Buch auch vorbestellt. Nach einigen ernüchternden Rezensionen auf Instagram und meinem ersten Blick ins Buch war ich dann aber auch nicht mehr so happy (dazu gleich mehr). Ich muss aber sagen, seine Show war wirklich klasse. Ich war anfangs skeptisch, da die Mitsubishi Electric Halle sehr groß ist und eine Lesung mit bestimmt 6000 Menschen und die daraus zwangsläufig entstehende Distanz es vielleicht schwierig macht, den Thrill zu übertragen. Meine bisherigen Lesungen fanden im kleinen Rahmen statt mit Augenkontakt zum Schriftsteller oder zur Schriftstellerin, mit anschließender Fragerunde und der Möglichkeit, ohne lange Wartezeit das Werk signieren zu lassen – das ist und bleibt für mich einfach das bessere Format Lesung. Aber Fitzeks Programm war wirklich sehr unterhaltsam. Er hat gut durch die Show geführt, war dem Publikum sehr nah, seine Scherze, Anekdoten und Erzählungen zum Buch und darüber hinaus waren einfach klasse. Sein Special Guest, Mimik- und Körperspracheexperte Dirk Eilert, war mir sehr sympathisch und hat spannende Beispiele aus seinem Berufsalltag gezeigt, Analysen von CEOs, Politikern, Datingpartnern und dem Publikum vor Ort. Selbst mein Mann, Lesemuffel, war begeistert und hat mitgefiebert (ja, ich schleppe ihn zu diversen Lesungen einfach mit). Nun zum Buch:

Worum geht’s?

Ein winziges Zucken im Mundwinkel, die kleinste Veränderung in der Pupille reichen ihr, um das wahre Ich eines Menschen zu „lesen“: Hannah Herbst ist Deutschlands erfahrenste Mimikresonanz-Expertin, spezialisiert auf die geheimen Signale des menschlichen Körpers. Als Beraterin der Polizei hat sie schon etliche Gewaltverbrecher überführt.

Doch ausgerechnet als sie nach einer Operation mit den Folgen eines Gedächtnisverlustes zu kämpfen hat, wird sie mit dem schrecklichsten Fall ihrer Karriere konfrontiert: Eine bislang völlig unbescholtene Frau hat gestanden, ihre Familie bestialisch ermordet zu haben. Nur ihr kleiner Sohn Paul hat überlebt. Nach ihrem Geständnis gelingt der Mutter die Flucht aus dem Gefängnis. Ist sie auf der Suche nach ihrem Sohn, um ihre „Todesmission“ zu vollenden? Hannah Herbst hat nur das kurze Geständnis-Video, um die Mutter zu überführen und Paul zu retten. Das Problem: Die Mörderin auf dem Video ist Hannah selbst! Ihr einziger Ausweg führt tief in ihr Innerstes …

Mit fachlicher Beratung von Dirk Eilert, dem führenden Mimik- und Körpersprache-Experten im deutschsprachigen Raum. (Verlagstext)

Wie fand ich den Thriller? Teilweise mit Spoilern, also Achtung!

„Fürchte dich nicht! Außer vor dir selbst…“

Die Show, die grandiose Werbemaschinerie in Social Media und Co. können leider nicht darüber hinweg täuschen, dass der Thriller doch einige Schwächen hat.

Mich hat an seinem Schreibstil gestört, dass er gefühlt jedes Kapitel (und da die Kapitel sehr kurz sind, gibt es davon viele) mit eine Art Cliffhanger beendet. Was will er damit bezwecken? Für mich hat sich dadurch die Spannung künstlich erhöht, und nach dem ersten Satz des neuen Kapitels ist sie dann schnell wieder abgeflacht. In Kombination mit der sehr häufig auftretenden nachträglichen Auflösung von Situationen, wodurch er auch Spannung aufbaut, war ich schon relativ am Anfang des Thrillers sehr genervt. Ja, die schwarzen Augen gehörten zu ihrer Katze nicht zu dem Mörder – Überraschung. Ansonsten finde ich seinen Schreibstil sehr angenehm mit etwas Witz und Leichtigkeit trotz des düsteren Themas. Es liest sich flüssig. Interessant fand ich die Darstellung der Parallelhandlungen – zwar noch nicht ganz ausgereift, aber mal etwas Neues.

Die primäre Story, in Gesichtern zu lesen und dadurch den Täter zu überführen, ist ein spannender Krimieffekt – nicht umsonst gibt es schon diverse Serien dazu. Je weiter ich allerdings gelesen habe, desto ernüchterter wurde ich. Die erste Erklärung, was zu den Aufgaben eines Mimikresonanzexperten gehört, war angebracht. So stehen wir nun auf einer Wissensstufe, man kann ja prinzipiell nicht davon ausgehen, dass jeder diesen Beruf kennt. Nur, ist es wirklich notwendig, gefühlt in jedem Kapitel aufs Neue zu erklären, worin Hannahs Arbeit besteht und worauf sie bei Verhören achtet? Einfach nur schulmeisterlich, tierisch nervig und eine Ablenkung von der eigentlichen Handlung.

Auch sind mir an der Handlung an sich Zweifel und so viele Fragen aufgekommen. Es war für mich vieles einfach nicht logisch. (SPOILER!) Warum will ein Häftling auf der Flucht, der überaus klug und narzisstisch veranlagt ist, einen Mordfall auflösen, der ihn gar nicht berührt? Warum hat er spontan seinen lange geplanten Ausbruchsversuch über den Haufen geworfen? Worin liegt seine Motivation? Dass er sie für ihre Taten bestrafen will, finde ich in dieser Situation sehr unrealistisch. Und dass er sie auch von der Polizei und den zusätzlichen Einsatzkräften (Es sind ja gefährliche Mörder auf der Flucht!) unbehelligt durch ganz Berlin fährt, ist das so überhaupt vorstellbar? Ebenfalls sehr nervtötend und ermüdend sind Hannahs ständige Beteuerungen und Versuche, Blankental von ihrer Unschuld zu überzeugen. Die Dialoge wiederholen sich ständig, zwischen den beiden passiert nicht viel. Es fehlt die Dynamik.

Die zentrale Frage ist aber: Warum sollte eine Polizeibehörde eine Aufzeichnung eines Verhörs bzw. eines Geständnisses veröffentlichen? Auch aus ermittlungstaktischen Gründen würde so etwas doch niemals passieren! Es gibt dazu am Ende eine Erklärung, die aber sehr dürftig ist. Warum haben sich die Figuren nicht diese Frage gestellt?

Hinzu kommt: Weder der verurteilte Mörder auf der Flucht noch Hannah noch Fadil, der Ermittler, strahlen Sympathie aus. Der Mörder ist eben ein Killer, der Unschuldige ermordet. Fadil erscheint dumm und blind vor allem auch seiner eigenen Frau gegenüber. Hätte Hannah das wie so vieles andere nicht auch sehen müssen? Und Hannah selbst erscheint durch ihren Gedächtnisverlust ihrer Familie gegenüber gefühlskalt. Ihr fehlt Tiefe, sie ist ein leeres Blatt, das vielleicht von anderer Seite hätte mehr gefüllt werden müssen, denn eines ist ja von Anfang an klar, sie ist nicht die Mörderin.

Versöhnt hat mich die Auflösung. So ganz überraschend ist es nicht, aber es kommt endlich zu einem Ende. Sehr schön erzählt mit etwas Hoffnung auf eine neue Liebe für Hannah und dann noch so ein teuflisches Ende. Das war wirklich gut. Die Danksagung sowie die Leseprobe zu Dirk Eilerts „Was dein Gesicht verrät“ haben mich neugierig gemacht. Ich glaube, ich habe nun einen Weihnachtswunsch mehr. Also, wer das liest und mir eine Freude machen will, …  ,-))

Fazit

„Mimik“ würde ich nicht weiterempfehlen.

Das Buch sowie die Karten zur Lesung habe ich selbst erworben.

Sebastian Fitzek „Mimik“

Droemer Knaur Verlag, 2022, 384 Seiten,

ISBN: 978-3-426-28157-4