Sloane Crosley „Cult Classic“

Sloane Crosley „Cult Classic“

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„Sex and the City“ trifft auf „The Game“ – Ich denke selbst den Jüngeren ist die beliebte NY-City-Serie um Journalistin Carrie Bradshaw ein Begriff, weniger vielleicht der Film „The Game“ von 1997 mit Michael Douglas in der Hauptrolle. Allzu viel darf man darüber aber nicht verraten, anschauen lohnt sich.

„Cult Classic“ hat mich mal mehr mal weniger an diese beiden Titel denken lassen. Humorvoll und zynisch führt uns Lola durch ihre Vergangenheit, ihr serielles Monogamie-Dasein. Wir lernen ihren Verlobten und ihre Verflossenen kennen. Spüren ihren Schmerz, ihre Unsicherheit und ihren Glauben an Beziehungen. Denn vordergründig geht es in Crosleys Roman ums Daten im 21. Jahrhundert, um die Verwicklungen und das Misstrauen zwischen Singles und Paaren in einer lebendigen Großstadt, um Partnerschaften und die Bindung fürs Leben. In den leiseren Momenten thematisiert die Autorin die Verletzungen des Verlassenwerdens, Wege des Loslassens und was passiert, wenn Wunden nicht heilen. Sie kombiniert dies mit den Mechanismen des Mediensystems und der Wellness- und Self-care-Industrie.

„Sollte je der Tag kommen, an dem du dich in einer festen Partnerschaft wiederfindest, wirst du realisieren, dass jede Beziehung zerbrechliche Stellen hat. Manchmal verunsichert mich diese Macht, uns jederzeit auseinanderbringen zu können, wenn ich es wollte. Gelegentlich möchte ich die Beziehung in die Luft jagen, allein aufgrund ihrer Existenz. Aber dann geht das Gefühl wieder vorbei.“

Darum geht es

New York City, Chinatown. Die frisch verlobte Lola ist mit ihren Kollegen unterwegs und wollte eigentlich nur schnell Zigaretten holen gehen, als sie von einer »zufälligen« Begegnung mit einem Ex-Freund in ihre Vergangenheit katapultiert wird. Am nächsten Abend trifft sie an der gleichen Stelle wieder auf einen Ex-Freund. Und dann auf noch einen. Plötzlich scheint die Stadt überflutet mit den Geistern von vergangenem Herzschmerz. Ist das alles noch Zufall? Eigentlich kümmert Lola das alles nicht mehr, denn sie hat den perfekten Mann gefunden. Oder vielleicht doch nicht? Denn die Begegnungen rühren vergangene Verletzungen auf und lassen sie nicht los, genau wie das Gefühl, dass ihr ehemaliger Chef, nun bester Freund und mittlerweile mystischer Guru, ein zu großes Interesse an dem Ergebnis ihrer Reise in die Vergangenheit haben könnte … (Verlagstext)

Wie war es?

„Wenn ich über unser gemeinsames Leben nachdachte, fühlte es sich meistens bequem und unkompliziert an wie eine Picknickdecke, die beim Ausbreiten auf Anhieb in die richtige Form fällt.“

Im Zentrum dieses Romans steht die 38-Jährige Ich-Erzählerin Lola, die von ihren Freunden und Bekannten gerne als gnadenlos, urteilend und unversöhnlich beschrieben wird. Deutlich wird, dass sie kein unkomplizierter Mensch ist. Ihr Zynismus und ihre Schlagfertigkeit machen den Roman dafür umso spannender. Lola, die sich gerade an ihren neuen Beziehungsstatus „verlobt“ gewöhnt, kann gewisse Zweifel, ob ihr Boots alles geben, was sie in einer Beziehung braucht, ob ihre Liebe zu ihm ausreicht, nicht verstecken. Ihr Zukünftiger wird jedoch als eigentlich der perfekte Mann vorgestellt, fürsorglich, verständnisvoll, akzeptiert sie so, wie sie ist. Reicht das aus, um der Mann für den Rest ihres Lebens zu sein? Hilfe, um eine Entscheidung herbeizuführen, bekommt sie vom bloßen Zufall – oder ist es eher Kismet, Ironie des Schicksals, glückliche Fügung, Vorherbestimmung oder Suggestion der Gedanken? –, denn in kürzester Zeit begegnet sie einigen ihrer Ex-Partner, kommt mit ihnen ins Gespräch und erhält die Gelegenheit abzuschließen.

„Er [Boots] konnte meine Brüche zwar nicht flicken, schützte mich aber vor meinem eigenen Narrativ einer Zerbrochenen.“

Den Lesenden wird schnell bewusst, dass Lola gedanklich an ihren vielen Partnern festhält, sich nicht von ihnen lösen will. Aus diesem Grund wird sie von ihrer Freundin auch als Menschensammlerin bezeichnet. Sie sammelt Erinnerungen an ihre bisherigen Liebhaber und füttert sie weiter. Unter anderem lernen wir den Schriftsteller Amos kennen, der gegen Monogamie wettert, den Olympioniken Willis Klee, mit dem sie keine Familie gründen wollte, Dave Egen, der ihr ewige Treue geschworen hätte, wenn sie nur mehr Bereitschaft gezeigt hätte, sich zu binden, und viele weitere. Sie lässt sich auf die verschiedensten Männer ein, sieht es als Experiment, das glückt oder scheitert.

„Ich machte mir Sorgen über den Verrat durch oder an meinen Erinnerungen. Als wäre mein früheres Liebesleben eine Bombe, die nur darauf wartete, hochzugehen, oder, schlimmer noch, als würde sie nie mehr hochgehen. Ich befürchtete, eines Tages aufzuwachen und die Vergangenheit so gut verdrängt zu haben, dass ich mich selbst nicht mehr wiedererkannte.“

Lola bewahrt nicht nur die Erinnerungen an diese vergangenen Zeiten auf, sondern auch die überwiegend seelischen Verletzungen, die sie durch die Trennungen erfährt. Als eine Art Selbstbestrafung hält sie ihre Ex-Partner lebendig und forscht ihnen nach. Damit reißt sie alte Wunde auf und verhindert ihre Heilung. Ihre besten Freunde, Vadis und Clive, wollen sie beschützen und ihr die Entscheidung für oder gegen ein Leben an Boots‘ Seite erleichtern. Mystik, Psychologie und Suggestion kommen zum Einsatz. Auf welche Weise genau, das müsst ihr tatsächlich selbst nachlesen.

„Die Liebe ist vielleicht der älteste Kult der Welt. Sie macht dich zu ihrem Anhänger, wenn du verletzlich bist, nimmt deine tiefsten Ängste als Pfand, gibt dir neue Namen wie ‚Baby‘, unterzieht dich einer Gehirnwäsche und lässt dich fürchten, dass deine Seele verdorren und sterben wird, wenn du die Person gehen lässt, die dich geliebt hat. Du solltest also besser einen verdammt guten Grund haben, um zu sagen: ‚Nein, ich hab noch nicht genug davon.‘“

Mein Bucheinstieg war leider etwas holprig, erst als Lola die unbeschriebene weiße Visitenkarte in der Hand hielt, bin ich in die Geschichte richtig eingetaucht. Wie Lola war ich über „Golconda“ erstaunt, schockiert und neugierig. Kann es helfen? Auch ihr Schlagabtausch mit Clive und Vadis macht mir richtig Spaß.

Psychologie spielt bei Crosley auf mehrfache Weise eine wichtige Rolle. Um mitreden zu können, ist es vielleicht sinnvoll, sich mit psychologischen Strömungen auszukennen (Clives Neuinterpretation ist schon eine Sache für sich), um jedoch die Gedankenstränge von Clive und Lola nachzuvollziehen, reichen Aufmerksamkeit und Menschenverstand völlig aus.

Fazit

Ich liebe Lolas zynische Bemerkungen, ihr Misstrauen und ihren Menschenverstand. Eine tiefsinnige Geschichte um die Bewusstwerdung der eigenen Wünsche und das Loslassen vergangener Lasten. Humorvoll und einnehmend.

Vielen Dank an Kein & Aber und an mondello für das Leseexemplar.

Sloane Crosley „Cult Classic“. Romantische Komödie

Aus dem Englischen von Alexander Wagner

Kein & Aber, 2023, 384 Seiten

ISBN: 978-3-0369-5001-3